Meistkommentiert
DESIGNCRITICS

Suche


Schlagworte


Titel


Archiv


Schließen

Waldmannsheil – Die Wiederaufforstung der Nachhaltigkeits-Ästhetik

Ein Blick in die Medienlandschaft genügt: das Wort „Nachhaltigkeit“ oder das englische„sustainability“ ist zum Modewort verkommen und nervt! Angeblich stammt der Begriff aus der Forstwirtschaft, wo ein gewisser Hans Carl von Carolwitz erstmals 1713 eine „nachhaltende Nutzung“ des Waldes forderte. Und den sieht man ja bekanntlich vor lauter Bäumen nicht, denn es gibt viele verschiedene Auslegungen des Wortes. Nachhaltigkeit ist momentan leider allzu oft ein Begriff, der im grün angestrichenen Marketing verortet ist. Die Nachhaltigkeit, die eventuell auch anderen und nicht nur sich selber nutzt ist, zumindest was die Wirtschaft angeht, noch nicht so ganz angekommen.

In einer Branche wie dem Design, die sich als interdisziplinär versteht und der Komplexität der Anforderungen wie ästhetischen, ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten in der Lehre verpflichtet ist, sollte der nachhaltige Gestaltungsansatz eine Selbstverständlichkeit sein. Der gestalterische Alltag sieht aber anders aus – kaum ein Designer fühlt sich imstande, im allgemeinen Kostendruck nachhaltige Entscheidungen im Designprozess in Punkto Material, Logistik und letztlich der Konzeption von Erzeugnissen gegenüber Kunden durchzusetzen. Umweltfreundlich ist meist nur dann schön, wenn auch Kosten gespart werden.

Dazu kommt die sich ständig verändernde Deutung des Wortes – wir  befinden uns in einer verwirrenden Phase der Ausgestaltung eines Begriffs. Dessen Kontext ist es, der nachhaltiges Handeln ausmacht: Was in einem Falle Ressourcen schont, ist im anderen nahezu schädlich. Wer beispielsweise mit dem Jeep zum Biobauernhof fährt um die Pfandflaschen abzugeben, folgt der falschen Logik. In der Verwirrung steckt aber auch eine große Chance: sie könnte das Zeitalter eines neuen Designbegriffs anstoßen, ein Ankommen eines Design-Denkens in der Gesellschaft, das die Designer sich schon immer herbeiwünschten. Denn plötzlich wird die Fähigkeit des Designs, Prozesse zu beschreiben, wertgeschätzt, gebraucht und immer besser verstanden. Designer werden endlich als Problemlöser anerkannt – nur aufgrund ihrer traditionell gelernten Kernkompetenz.

Aber auch das Design muss lernen, sich besser und zeitgemäßer und vor allem ästhetisch interessanter zu artikulieren. Und da liegt der Haken: Ästhetisch sind wir gewohnt, glatt, heil, fein und perfekt zu gestalten. Die Moderne ist stilistisch nicht abzuschütteln. Aber wie sie genau ist, die neue zukünftige Ästhetik der Nachhaltigkeit, müssen wir noch klären!

Ein Beispiel für die ästhetische Begriffsfindung stammt aus der Kunst. „Zur Nachahmung empfohlen – Expeditionen in Ästhetik und Nachhaltigkeit “ heißt die Wanderausstellung, die im Oktober in Berlin auf ihre bundesweite Reise startete. Kuratorin Adrienne Göhler versammelt in einer Art Mitmach-Ausstellung samt Diskussionsformaten und Workshop-Slot Exponate, die zeigen, wie sich z.B. die Klimakatastrophe  in Tuvalu anfühlt, oder wie man mit dem täglichen Müll umgehen kann, bis man darin buchstäblich ertrinkt oder wie aus Autos schräge Fahrräder downgecyclet werden können. Hier wird erzählt: formal und inhaltlich, wie sich ein Problem bis zur Lösung anfühlt oder ein gescheiterter Versuch, ein erneutes Ansetzen. Die sinnliche Vermittlung von Prozessen hat das Design trotz allem Design Thinking bisher noch nicht so deutlich formuliert, wie die Ausstellung aus dem Beispiel. Wie Gestaltung in Zukunft aussieht und sich anfühlt, schmeckt und riecht, müssen wir erforschen – das liegt in unserer Verantwortung. Eine ästhetische Verhandlung des Nachhaltigkeitsbegriffs im Design muß her! Leere Modewörter nützen keinem, Inhalt ist unabdingbar – Und benutzen wir doch bitte keine Worte, die wir selbst nicht vertsehen. Marketing hin, Marketing her!

2 Kommentare

  1. designkritik Autorenteam Bauer/Birlenbach/Okraj,

    Liebe(r) berjoska, danke für den ausführlichen Kommentar.

    Wer wie wir in dem Text eine Ausformulierung der Ästhetik fordert, will keine Regeln für alle schaffen, sondern eine größere Vielfalt und tiefere Durchdringung.

    Das mit dem Forschungsbegriff ist wirklich so eine Sache. Einige Hochschulen kämpfen darum, ein Bewusstsein für das eigene Forschen (ja, findet schon statt) und einen wissenschaftlichen Methodenkanon zu etablieren.

    Aber auch ausserhalb der Hochschule können und sollten Designer ein Forschungsbewusstsein entwickeln. Ob man Forschung durch Design betreibt oder über Design oder völlig auf der Meta-Begriffsebene denkt, ist in jedem Fall notwendig, weil es viel zu wenig passiert.

    Die Diskussion um den Nachhaltigkeitsbegriff im Design finden wir aus genau diesen Gründen notwendig. (Auch wenn diese Diskussionen nie in der breiten Masse geführt werden können.)

    Und klaro, wir setzen den Begriff “das Design” ganz bewusst als schwammiges Konstrukt ein – so viele Teilbranchen und täglich neue Tätigkeitsfelder! Aber vielleicht kitzelts ja den ein oder anderen, wenn er oder sie an diese Vielfalt denkt. Der Blick über den Tellerrand fängt also irgendwo auf dem Teller an, glaube ich.

    BB

  2. ber,

    Der Text ist leider ein wenig voll mit Verallgemeinerungen und vagen Formulierungen. Was ist “das Design”? Warum ist eine Diskussion um reine Begrifflichkeiten notwendig? Warum der Ruf nach einer Ästhetik der Nachhaltigkeit (sollen sich alle danach richten)?

    Mir scheint spätestens seitdem die “Design-Thinking” Welle losgetreten wurde, glauben viele Designer sie seien die Einzigsten, die analytisch denken und Probleme lösen können. Weil, sie sind ja kreativ!

    Ich halte das für eine unglaubliche Selbstüberschätzung der Branche. Offensichtlich drängen Designbüros in den Consulting Bereich nachdem mit den eigentlichen Kernkompetenzen (Visualisierung, Formgestaltung …) immer weniger Geld zu verdienen ist bzw. das Gewissen drückt.

    Viele Designer scheinen mir aber reichlich ungeeignet, um komplexe Themen (Umweltschutz, Klima, urbane Entwicklungen) ernsthaft zu durchdringen und Lösungen dafür zu finden.

    Denn in der Design-Ausbildung (und Praxis) kommen Wissenschaft bzw. Forschung kaum vor. Von ein wenig Kunstgeschichte und Wahrnehmungs-Psychologie mal abgesehen, geht es in erster Linie um handwerklich-praktische Dinge. Und seien wir ehrlich, selbst das funktioniert an vielen Fachbereichen nicht vernünftig.

Kommentare sind deaktiviert.