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Dekonstruktion des Sichtbaren

Als ich anfing mich mit der Bedeutung und Wirkung von Gestaltung zu beschäftigen, stand ich mitten in meinem Studium des Kommunikationsdesigns und hatte gerade mein Pflichtpraktikum in Berlin absolviert. Während dieses Praktikums eröffnete sich mir eine ganz neue, kommerziellere Perspektive auf das Thema Gestaltung und als ich zurück an die Hochschule kam, fing ich an den Begriff Gestaltung und seine Bedeutung neu zu hinterfragen. Was hatte ich bisher mit Gestaltung assoziiert? Ab wann ist etwas Gestaltung und warum? Letztlich erkannte ich, dass ich mich zwar täglich intensiv mit Gestaltung beschäftigt hatte, aber den Begriff nicht konkret definieren konnte.

Die logische Konsequenz war es also, der Frage »Was ist Gestaltung?« ein Semesterprojekt zu widmen. In einem Kurs von Prof. Carl Frech, der diesem Thema ebenso viel Relevanz wie ich beimaß, begann ich mit der Forschung und Recherche an dieser umfangreichen Frage. Primär ging es für mich darum, meine eigene Position innerhalb der Thematik zu hinterfragen und mich so als Gestalter neu zu positionieren.

Fehlender Inhalt versteckt sich oft hinter komplexen Formen

Zunächst galt die Lektüre von Fachliteratur als oberste Priorität und Bücher wie »Design ist unsichtbar« von Lucius Burckhardt oder »die welt als entwurf« von Otl Aicher waren für mich besonders aufschlussreich. Parallel begann ich mit der Arbeit an gestalterischen Experimenten, um die Frage nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu bearbeiten. Innerhalb dieses Prozesses entstanden für mich zunächst mehr Fragen, als dass ich konkrete Antworten finden konnte.

 

Gestaltung umgibt uns in jeder Facette unseres Alltags

Mir wurde sehr bald bewusst, dass ich persönlich keine allgemeingültige Antwort auf meine Ausgangsfrage finden würde, da Gestaltung immer nur innerhalb eines bestimmten Kontext betrachtet werden kann. Daher ist meines Erachtens die Interpretation des Gestaltungsbegriffs sehr stark von der jeweiligen Situation und von den persönlichen Ansichten abhängig.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen begann ich mit der Erstellung eines persönlichen Kompendiums, um so ein umfangreiches Abbild meiner Haltung als Gestalter zu visualisieren. Ziel war es ab diesem Punkt nicht mehr grundsätzliche Thesen aufzustellen, sondern meinen persönlichen Standpunkt zum Thema Gestaltung zu festigen und nach außen zu tragen.

 

Die Methode der Dekonstruktion ist ein kritisches Hinterfragen und Auflösen eines Textes im weiteren Sinn. »Dekonstruktion des Sichtbaren« ist eine Sammlung von fünf Werkbüchern in unterschiedlichen Formaten, die aus verschiedenen Perspektiven meine Sicht auf die Thematik Gestaltung beschreiben. Sie bieten einen strukturierten Einblick in meine Überlegungen sowie Forschungsergebnisse und konzeptionelle Ansätze.

Neben einem persönlichen Manifest enthält die Sammlung kritische Gedanken zu ausgewählten Texten der Gestaltungstheorie, ein Konzept zur subjektiven Bewertung von Gestaltung, Befragungen und Auswertungen zum Thema Wahrnehmung sowie visuelle Experimente.

01  Manifest

Positionen zur Gestaltung

Das erste Werkbuch Manifest (link: https://issuu.com/semi8/docs/01_manifest) enthält persönliche Standpunkte und Gedanken zu unterschiedlichen Bereichen der Gestaltung.

Besonders die Fragen nach dem Wert von Gestaltungskritik und ab wann etwas als Gestaltung bezeichnet werden sollte, beschäftigten mich. Auch Laien können als Gestalter fungieren und ehrliche, zweckgemäße Lösungen finden. Gleichzeitig stelle ich die These auf, dass jeder Mensch in der Lage ist Gestaltung zu kritisieren, speziell wenn es sich um Gestaltung handelt, mit der man häufig im Alltag konfrontiert wird. Aber auch die Kritik an Trends und deren Einfluss auf die Ästhetik des Zeitgeists oder die Frage nach der moralischen Pflicht eines Gestalters werden in diesem Manifest besprochen.

 

02  Selektion

Forschung zur Gestaltung

Das zweite Werkbuch Selektion (link: https://issuu.com/semi8/docs/02_selektion) enthält persönliche und kritische Gedanken zu ausgewählten Texten der Gestaltungstheorie.

 

Bei den von mir kommentierten Texten handelt es sich um die Kapitel »Design ist unsichtbar« von Lucius Burckhardt (aus »Design ist unsichtbar – Entwurf, Gesellschaft & Pädagogik«), »Werkzeuge des Sozialen« von Mateo Kreis (aus »Total Design: Die Inflation moderner Gestaltung«) und »der nicht mehr brauchbare gebrauchsgegenstand« von Otl Aicher (aus »die welt als entwurf: schriften zum design«). Besonders der Text »Design ist unsichtbar«, der bereits in den 80er Jahren entstanden ist, befasst sich mit einem sehr aktuellen Thema. Hier wird besprochen was heutzutage überall erkennbar ist, nämlich die Ausdehnung des Designbegriffs weg von der klassisch formalen Diskussion hin zu einer universelleren Haltung: der Gestaltung komplexer Systeme. Und auch wenn ich diesem Text in vielerlei Hinsicht zustimme, sehe ich die zu weite Ausdehnung des Aufgabenfelds von Gestaltern als kritisch an.

 

03  Evaluation

Wertung von Gestaltung

Das dritte Werkbuch Evaluation (link: https://issuu.com/semi8/docs/03_evaluation) ist ein Bewertungswerkzeug um gestaltete Objekte anhand unterschiedlicher Kriterien einzuordnen und so besser miteinander vergleichbar zu machen.

 

Da Gestaltung ein Bereich ist, der oftmals äußerst subjektiven Kriterien zu Bewertung unterliegt, bildet mein Werkzeug lediglich einen Denkanstoß, um Gestaltung zumindest in gewissen Parametern einordnen zu können. Mit Hilfe bestimmter Kriterien wie zum Beispiel »Innovation«, »Qualität und Nachhaltigkeit« oder »Identitätsstiftend«, können anhand einer Skala Designarbeiten direkt miteinander verglichen werden.

04  Analyse

Meinungen zur Gestaltung

Das vierte Werkbuch Analyse (link: https://issuu.com/semi8/docs/04_analyse) enthält einen Fragebogen zum Thema Gestaltung und dessen Auswertung mit Hilfe einer Online-Umfrage sowie persönliche Interviews.

 

 

Der Fragebogen befasste sich zum Beispiel damit, welche Objekte als »Design« konnotiert werden oder mit der Relevanz von Gestaltung in unserer heutigen Lebenswelt. Ein besonderer Fokus innerhalb dieser Umfrage liegt auf dem Vergleich der Antworten von Gestaltern und »Nicht-Gestaltern«. Als Ergebnis ist festzustellen, dass für fast alle Teilnehmer Ästhetik und Funktion von Objekten eine äußerst große Rolle bei einer Kaufentscheidung spielen. Doch an vielen Stellen differenzieren die Ansichten zwischen Personen mit und ohne professionellen Gestaltungshintergrund, denn »Nicht-Gestalter« hatten im Vergleich weniger Vertrauen in ihre Fähigkeit als Gestaltungs-­Kritiker. Außerdem sehen sie eine geringere Relevanz von Gestaltung in Hinblick auf die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen.

 

05  Experimente

Beobachtungen zur Gestaltung

Das fünfte Werkbuch Experimente (link: https://issuu.com/semi8/docs/05_experimente) enthält eine Sammlung visueller Experimente, die sich mit dem Einfluss von Gestaltung sowie dem konkreten Begriff der Gestaltung auseinandersetzen.

 

Dieses Werkbuch arbeitet einzig und allein mit Grafiken und Illustrationen um bestimmte Beobachtungen zu verdeutlichen. Der erste Teil des Buchs befasst sich mit der Wahrnehmung von Formen und deren emotionale Wirkung auf Menschen. Außerdem wird die manipulative Kraft von Gestaltung anhand von Beispielen gezeigt. Im zweiten Teil geht es primär um die Auseinandersetzung mit dem Begriff Gestaltung und den Gegebenheiten innerhalb eines Gestaltungsprozesses.

 

Fazit

Auch wenn diese Arbeit einen sehr introspektiven Charakter hat, hoffe ich, dass Gestalter mit ihrer Hilfe zumindest ihre eigene Meinung zum Thema besser einordnen können. Für mich persönlich war die Arbeit an diesem Kompendium, wie schon anfangs erwähnt, ein wichtige Möglichkeit mich selbst in der Welt der Gestaltung neu einzuordnen.