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Ramona Almen: Nachhaltigkeit als ästhetische Frage

Responsible Design
von Ramona Almen

Glaubt man dem Fraunhofer IZM, so legen sich 80 % aller produktbezogenen Umwelteinflüsse bereits während des Designprozesses fest. Eine verantwortungsvolle Rolle also, die der Designer hier einnimmt. Doch wie soll man dem Designnachwuchs seine Einflussmöglichkeiten und Konsequenzen zwischen Feintypographie und Layoutgestaltung vor Augen führen? Nicht zuletzt sind es die Design-Hochschulen, die dies vermitteln müssen. Die Ulmer Schule und das Bauhaus taten dies bereits auf innovativem Wege, indem sie Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung als Grundpfeiler ihrer Lehre verankerten. Doch wie sieht es in den aktuellen Design-Curricula deutscher Hochschulen aus? Lassen es die Lehrpläne zu, ihren Nachwuchs dahingehend zu sensibilisieren?

Diesen Fragen ging ich in meiner Master Arbeit Responsible Design nach. Genauer setzte ich mich mit der Verankerung von Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung in der Designlehre auseinander. Entstanden ist so eine zweigliedrige Forschungsarbeit. Eine Auswertung des derzeitigen Hochschulangebots samt Experteninterviews dienten dabei der Konzeptualisierung einer Nachhaltigkeitsplattform für Studierende. Anhand von 20 exemplarisch gewählten Design-Hochschulen untersuchte ich zunächst wie stark nachhaltige und gesellschaftliche Themeninhalte im Kursangebot 2012/2013 behandelt wurden.

So zeigt sich, dass erst mit konkreter Spezialisierung im Laufe des Hauptstudiums die untersuchten Themen Gehör finden. Von den angebotenen Kursen werden etwa 72,5 % im Hauptstudium angeboten. Dabei wäre es ein entscheidender Schritt, dies bereits zu Beginn des Studiums als Grundlage zu verankern. Da sich jedoch ein Gesamtbild der deutschen Designlehre nicht ausschließlich aus Zahlen entwerfen lässt, führte ich vier Experteninterviews mit HochschulprofessorInnen durch.

Als Grundtenor der Interviews ergab sich der Wunsch, ein kritisches Urteilsvermögen von Studierenden über die ökologischen und sozialen Zusammenhänge ihres Handelns zu fördern. Insbesondere eine Reflexion mit der eigenen Arbeit vermissten die Interviewpartner: „Unsere Ent-scheidungsprozesse bestimmen welches Material genommen wird. Wir haben deswegen eine enorme Verantwortung.” Auch hier zeigte sich ein Verständnis dafür wie groß der Einfluss des Designers auf seine Umwelt ist: Denn „eigentlich erzeugen wir als Gestalter ja den Müll von morgen“.

Neben dem Lösen von einer „Objekt-Fixierung“ sollte das Entwickeln von Zukunfts-Modellen, die über ein grenzenloses Marktwachstum hinausgehen, verstärkt werden. Klar wird dabei auch, dass die politischen Spielräume in denen Designer handeln und ihre Produkte entwickeln, in ihrer Ausbildung auf der Strecke bleiben: „Es wäre wichtig, dass den Studenten die politische Dimension ihres Handelns klar gemacht wird und gesellschaftliche Bedingungen daraus gestellt werden“, betonte einer meiner Interviewpartner.

Welche konkrete Aufgabe der Designer im Arbeitsprozess einnehmen sollte, dazu fanden sich zweierlei Meinungen wieder. So wurde vorgeschlagen, die Verhandlungsposition des Designers durch vertiefte Analysefähigkeiten und fachliche Expertise zu stärken. Daher wird ein spezieller Fokus der Einflussnahme des Designers auf sein äußeres Umfeld ins Spiel gebracht: „Womit wir anfangen, ist erst einmal aufzuzeigen, wie die Wechselwirkungen von Design und Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft sind.“

Auch in den Grundzügen des Designs lassen sich Potenziale erkennen, die der Designer für sich brauchbar machen könnte: „Design ist eine ästhetische Disziplin und ästhetische Disziplinen können am besten verführen. „Nicht auf moralischem, sondern auf ästhetischem Wege sollte dieser Ansatz vermittelt werden. So werden Konsumenten mitgenommen und auf ansprechende Weise damit konfrontiert, denn „Nachhaltigkeit ist eben keine moralische, sondern eine ästhetische Frage“. Doch ist dies in der derzeitigen Design-Lehre gegeben? Ein Großteil meiner Interviewpartner verneinte dies. „Die meisten Design-Curricula sind noch nicht so weit, dass sie die Studierenden tatsächlich adäquat auf diese neuen Herausforderungen vorbereiten. Da gibt es sicherlich viel nachzuholen.“. Dies gilt insbesondere auch auf die Herausbildung eines „kritisches Potential von Hochausgebildeten“.

„Unser Handwerkzeug ist kein anderes als das aller Designer. Entscheidend ist die Haltung, mit der wir es gebrauchen”, so steht es in der Charta für nachhaltiges Design. Dies gilt auch für die zukünftige Designlehre, die hier mit erhobenem Zeigefinder nur wenig ausrichten kann. Neben der großen Einflussnahme ist es allerdings auch die besondere Kraft des Designs, Botschaften zeitgemäß und ästhetisch zu vermitteln, welche die Rolle des Designers stärkt. Mit einer soliden Grundausbildung, die dies von Anfang an integriert und den Studierenden ihre Einflussmöglichkeiten aufzeigt, wäre schon viel getan.

*Die Interviews liegen in anonymisierter Form vor, einen tieferen Einblick in die Arbeit auf Anfrage bei der Autorin.