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SIMPLE UND STUPID – IN DER TAT

Die Schweiz ist stolz, sehr stolz, auf ihre direkte Demokratie. Immerhin hat diese ja auch schon 1971 den Frauen das Wahlrecht beschert. Im Grunde sind die Volksentscheide schon durchaus und trotzdem eine reizvolle Angelegenheit – nur ein Allheilmittel sind sie offensichtlich nicht. Das betonte auch Regula Stämpfli, die einmal mehr und nicht selten die Gefahr einer »Diktatur der Mehrheit« konstatiert. Wenn dann eben schlechte Absichten die eigentlich rechten Mittel für ihre linkischen Absichten von rechts verwenden? Für den von der SVP – die »Schweizerische Volkspartei« – initiierten Volksentscheid zum Verbot für den Bau von Minaretten erschien vor kurzem ein Plakat. Das schlug hohe Wellen, zu Recht. Denn es ist diskriminierend, diffamierend, intolerant und falsch dazu. Konzipiert und gestaltet wurde es explizit nach einem recht einfachen »Grundsatz«: »Keep it simple and stupid« (schade, dass diese Agentur gerade aus Deutschland kommen muss). Und dümmer geht es ja bekanntlich immer.

UM WAS GEHT ES EIGENTLICH?

Zu sehen ist auf dem in der Schweiz zwar recht präsenten, aber immerhin höchst umstrittenen Plakat eine perspektivisch dargestellte Nationalflagge, durchbohrt von schwarzen Minaretten mit Schatten – von links kommt eine verschleierte Frau mit Burka ins Bild, ebenfalls schwarz. Abgestimmt aber wird nicht über immer wieder diskutierte Kopftücher, es geht auch nicht um eine die ganze Schweiz überziehende Unmenge von Minaretten. Wie muss sich ein muslimischer Bewohner fühlen, wenn er solche Plakate sieht? Der Satz, so etwas müsse eine Demokratie aushalten, erscheint spätestens bei solchen Sujets als höchst alibihaft. Die Fragen sind also einmal mehr: Wie weit darf das Recht auf freie Meinungsäußerung gehen? Darf sie auch diskriminieren und Hass schüren? Diese stellte sich das Institut »Design2context« an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK). Dessen Leiter, Ruedi Baur, lud gemeinsam mit Vera Kockot und Clemens Bellut zu einem »ad hoc table ronde« ein. Ihre Überzeugung: Wer tatenlos zusieht, macht sich mit schuldig. Auf dem Podium saßen verschiedene Gäste aus Politik, Politologie, Design, Architektur und Philosophie – zu denen eben auch ich gehörte und zur Fragestellung, woher die faschistische Ästhetik kommt, etwas sagen sollte.

WILHELMISCHE FARBEN IN DER SCHWEIZ

Im Grunde ist es meist recht einfach: die Farbkombination, eine fette(re) Grotesk und eine »pointierte« Illustration. Die macht eine Vergröberung – in der Regel die Visualisierung von Klischees – einfach und eignet sich meist besser als eine »realistische« Fotografie. Merkwürdig ist allerdings das »schwarz-weiß-rot« – dies hat oder hätte in Deutschland zwar durchaus »seine Tradition«, wird deshalb von der NPD und DVU beispielsweise heute noch verwendet. Aber eben auch von »Rechten« aus ganz anderen Ländern. Doch so spezifisch wären diese Farben eigentlich gar nicht, schließlich sind sie auch beim Signet der Partei »Die Linke.« oder gar der RAF verwendet worden. Bei der Schweiz ergibt es sich natürlich aus den Nationalfarben plus dem Schwarz für Schrift- und Illustration. Und hat dabei sozusagen idealerweise das »rechte Farbklima«. Es ist so einfach: Verschiebt man die »Parameter« eines Designs entsprechend, kommt fast zwingend eine faschistoide Ästhetik heraus. Dennoch bleibt sie kontextabhängig – wie eben eine selbst stark vergröberte Gotisch auf einer Bierflasche den Griff ins Regal noch nicht zu einem nationalistischen Akt macht.

DESIGN IST POLITISCH!

Tragisch ist und bleibt freilich die mediale Wirkung dieser Kampagne bzw. Propaganda: Da wäre das Plakat zuerst einmal selbst (wo es Kommunen nicht verboten), dann die Reproduktion derer, die hinter dieser Sache stehen und zuletzt auch noch die Darstellung zu deren Diskussion und Kritik. Diese Wirkung, der Erfolg, dürfte den finanziell potenten Auftraggeben und Propagandisten trauriger- und tragischerweise sogar recht geben. Spätestens an dieser Stelle wird einmal mehr bewusst, dass Designer zwar großteils unpolitisch sind (darüber schrieben meine Kollegen hier kürzlich etwas sehr Interessantes) – Design allerdings ist, direkt oder indirekt, im Grunde immer (auch) politisch. Was uns mitunter durchaus arg in die Verantwortung bringen kann.

UND – WAS MACHEN WIR JETZT?

Nur, wie geht man jetzt mit einer solchen Situation um? Als Gestalter. Wie lässt sich eine andere Position beziehen, visualisieren? Wie sich schon (vgl. novum 02/2009) beim Thema Frieden durchaus analog zeigte, finden sich für Gegenpositionen nur schwer die entsprechenden Bilder und Zeichen. So schnell eine durchaus spezifisch rechte, nationalistische Visualität erreicht werden kann, eine liberale, eine der Toleranz, des eher linken – wohl deutlich schwerer. In den 1930er Jahren gab es in Deutschland das »Sturmbanner«, die mit drei nach links unten gerichteten Pfeilen Hakenkreuzfahnen und -Plakate »entschärft« haben. Es half nicht viel. Auf einem Wahlplakat der SPD zerschmettert ein Arbeiter mit dem Hammer das Hakenkreuz – und bringt es damit nur wieder ins Spiel, verstärkt es womöglich sogar. Offensichtlich wird bei einer Analyse von Plakaten dieser Zeit schon: Alle dem Rechten gegenüberstehenden Parteien und Gruppierungen taten sich unendlich schwer, ihre Ideale, Ziele und Programmatik wirkungsvoll und evident zu visualisieren.

EIN AUFRUF AN UNS ALLE

Das Institut »Design2context« macht deshalb – oder trotzdem, erst recht – gerade einen Appell an uns Gestalter: Wie können wir über die Vorgeschichten politischer Propaganda und ihrer Auswirkungen informieren und aufklären – und mit den eigenen politischen Mitteln der visuellen Kommunikation Position beziehen, uns den öffentlichen Raum für eben öffentliche Angelegenheiten zurückerobern? Erste Gedanken dazu findet man unter: www.design2context.ch – dort ist ein entsprechender Link.