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Keine Profession der Bequemlichkeiten: Interview mit Moritz Grund

Moritz Grund ist mit seinem Text “Einhundert – der Designer und die Dinge. Ein Selbstversuch” diesjähriger Preisträger des BF-Preises für designkritische Texte, der am Montag, den 17. September in Berlin verliehen wird.

Der 1980 geborene Absolvent der Berliner Universität der Künste beschreibt darin sein Verhältnis zu den Dingen anhand von Textfragmenten, Lebensstationen, Beziehungen und Menschen. Auch in der Praxis ist Grund den großen Fragestellungen des Design verpflichtet: 2007 beteiligte er sich am Aufbau des Forum für nachhaltiges Design am Berliner IDZ und 2009 an der Gründung des “Sustainable Design Center e.V.“, dessen Vorstand er angehört. Er lebt als freier Autor, Berater und Produktdesigner in Berlin. Im Interview schildert er, welche Rolle das Schreiben für ihn spielt.

Moritz GrundDu hast mit deinem Buch eine längere persönliche Entwicklung dokumentiert. Was bedeutet Dir das Schreiben und wie bist Du dazu gekommen?

Über etwas Schreiben bedeutet, ähnlich wie darüber zu sprechen, sich einer Sache zu vergewissern. Das heißt, wenn ich etwas ausdrücken möchte, dafür die stimmigsten Worten suche, spiegelt es mir immer mein Verständnis von dieser Sache wieder. Sprich: Ich kann nicht erklären was ich selbst nicht verstehe.Verschriftlichung war für mich schon immer ein wichtiges Werkzeug etwas für mich zu Verstehen. Ganz besonders während meines Designstudiums, in dem der größte Teil der heranwachsenden Gestalter ausschließlich mit den Händen dachte.

Du misst in “einhundert” nicht nur den Gegenständen, sondern mehr noch den Menschen in ihren Beziehungen eine große Bedeutung zu und beschreibst oft, in welchen Zusammenhängen Du mit deinen Mitmenschen agierst. Warum ist diese Betrachtung so wichtig, was bedeutet es für einen Designer?
Der Mensch ist immer das zentrale Gestirn seiner und gemeinsamer Dingwelten. Mann könnte soweit gehen zu sagen; Ohne seine Aufmerksamkeit für einen Gegenstand existiert dieser nicht in unserer Wirklichkeit. Dinge sind das was Menschen daraus machen. Und was sie untereinander darüber verhandeln. Designer sollten sich dessen bewusst sein und nicht dem Irrglaube erliegen ein Gegenstand könnte mehr sein als die individuelle Beziehung eines Menschen zu diesem.

Was ist der kritische Aspekt deines Textes?
Zum Einen was ich in der vorangestellten Frage beantwortete, zum Anderen möchte ich Gestalter dazu motivieren sich mehr anzustrengen. Wir können es uns heute unmöglich so bequem machen. Wir müssen über unseren Tellerrand hinausblicken, größere Zusammenhänge einsehen. Unsere natürlichen Ressourcen werden knapp, es gibt ungeheuerliche Missstände auf der Welt, eben auch vor unserer Haustür, .. da kann die Antwort eines jungen intelligenten, technisch und ästhetisch ausgebildeten Menschen unmöglich nur ein beliebiger weiterer Stuhl sein. Letztlich ist die Form des Textes und die Sprache eine kleiner Seitenhieb auf die Denk- und Lese/Schreibfaulheit vieler heranreifender Designer.

Was ist für dich momentan die wichtigste Entwicklung im Design?
Ich beobachte dass sich viele ausgebildete Designer nicht mehr allzu wichtig nehmen. Die große Zeit in der Gestaltung als wirtschaftlicher Mehrwert in die Industrie vermittelt werden musste ist bei uns weitestgehend abgeschlossen. Gleichzeitig haben viele Leute durch das durchdringenden Styling und die irrwitzigsten Vermarktungsstrategien in jedem Winkel unsere Alltagskultur erste Überdrusserscheinungen. An dieser Stelle trauen sich heute mehr und mehr Leute ihre eigene Welt wieder selbst zu gestalten. Vielleicht greift hier auch die DIY-Welle und diverse Opendesign-Konzepte. Design von jedem für jeden.

Hast Du Vorbilder?
Die überwältigende Kraft und Schönheit der Natur.

Viele Studierende fragen sich, wie sie mit dem Beruf zur Lösung von Problemen beitragen können und fühlen sich dann doch ohnmächtig den Strukturen gegenüber. Was rätst Du ihnen?
Alle sozialen und wirtschaftlichen Strukturen und deren Probleme dennen wir gehenüberstehen sind menschgemacht. Und können verändert werden. Nicht nicht immer sofort im Ganzen, aber es ist möglich .. mit dem ersten kleinen Schritt, der ersten Tat. Und dem Mut weitere und größere Schritte zu wagen.Ich denke es war noch nie spannender als Gestalter auf die Welt zu blicken.

Muss Design sich verändern?
Zu vielen jungen Designer kann ich nur sagen .. steht auf und beschwert euch gegen die unwürdigen Löhne an der Schwelle zum Berufsleben. Schreibt keine Bewerbungen, schreibt Beschwerden: “Liebe Agentur XY, gerne würde ich Ihnen meine ausgezeichneten Kenntnisse und weitreichenden Fähigkeiten als Praktikant/Volontär/Trainee zur Verfügung stellen. Leider ist mir das, unter der von Ihnen angebotenen Entlohnung, absolut unmöglich!”
Im Bezug auf mein Studium kann natürlich nicht für die Lehrinstitutionen im Gesamten sprechen. Für meine Erfahrung wäre es sinnvoll Designer (diverser Disziplinen) immer wieder mit Schleifen kritischer Selbstreflexion am denken zu halten und zur eigenen Weiterentwicklung anzuregen. Auch über die Lehre hinaus. Gestaltung ist keine Profession der Bequemlichkeiten.

www.moritzgrund.com

bf-preis 2012 einhundert