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Designliteratur: Friedrich von Borries – 1 WTC

Selten war ich so gespalten über die Qualität und die Wirkung dessen, was ich gerade gelesen hatte. “Mit freundlichen Grüßen”, Suhrkamp Verlag, ließ mir Friedrich von Borries, der Architekt und Professor für Designtheorie in Hamburg, seinen im August erschienenen Roman 1 WTC zukommen.

Worum es geht? Nun, da ist zunächst ein fabelhafter Plot: Ein junger deutscher Künstler bekommt ein Stipendium für einen Aufenthalt in New York City, beginnt dort sein Projekt, das sich mit Überwachungskameras und Sicherheitssystemen befasst. Zeitgleich verfolgen wir die Karriere eines ebenfalls jungen Architekten, der auf eigentümliche Weise an dem Neubau an der Stelle des World Trade Centers, dem so genannten “1 WTC” beteiligt wird, wenn nicht sogar “hineingezogen” das richtige Wort ist. Die schicksalhafte Verstrickung beider Existenzen endet furchtbar, so viel kann ich verraten – Untergrund, Tod, etc. Zumindest wird man nach der Lektüre noch misstrauischer auf Feierlichkeiten zum Jahrestag von 9/11 blicken.

Die Fragen, die Friedrich von Borries aufwirft, gefallen mir – denn sie berühren genau das, worum es auch in der Designkritik geht, nämlich immer den Zweifel über das, was man tut, mitzuführen, auch über die Unschuld und Macht von Kreativität, um nur ein kleines Beispiel zu nennen. Verliert man seine Freiheit, wenn man sie zu sehr verteidigen will?  Im Roman wird man Zeuge einer Form des pervertierten Sicherheitsbestrebens nach 9/11, das letztlich die unglaublichsten Monströsitäten, architektonisch und menschlich, zu legitimieren scheint.  Wobei es natürlich nur im Roman so einfach ist, die verschiedenen Lager auseinanderzuhalten, in die die Hauptpersonen geraten. Die Frage danach, ob der Roman Fiktion oder Realität beschreibt, ist für uns Skeptiker und Verschwörungstheoretiker nicht so wichtig, weil wir wissen: Es ist noch schlimmer.

Soweit, so gut. Die ca. 200 Seiten kann man in wenigen Stunden lesen. Stilistisch ist der Roman ein Versatzstück: Glossaranteile über architektonische Fakten im Text ersparen einem das Googeln; knappe Berichte wechseln mit filmischen Dialogen ab. Und genauso wie ein Hollywood-Film ist das Ganze gewürzt mit jeder Menge Sex (Überwachungskamera-Fetisch, Dreiecksbeziehung). Eigentlich hat das Buch alles, was ein flotter actiongeladener Groschenroman braucht, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, wie ernst ich das alles nehmen kann. Eigentlich mag ich es poppig – aber teilweise ist mir das Buch offen gesagt psychologisch zu seicht, auch wenn es im renommierten Suhrkamp Verlag erschienen ist. Aber man muss nicht alles können.
Am End’ ist es ein Roman, der zufällig “irgendwas mit Architektur” beinhaltet, aber leider kaum tiefer über die Befindlichkeiten seiner Besetzung Auskunft gibt, das ist schade, aber vielleicht auch bezeichnend.
Dennoch empfehle ich die Lektüre, es ist auch kein teures Buch. Denn eines ist Friedrich von Borries anzurechnen: Er bringt Themen endlich mal aus GestalterInnen-Sicht in Bewegung – hier Überwachung und Sicherheit nach 9/11 – und surft dann zum nächsten Thema weiter.

Ein Kommentar

  1. diana feher,

    spannender roman, von mir aus daumen hoch!

Kommentare sind deaktiviert.